- ist ein Teilbereich der Osteopathie (wird häufig „CSO“ abgekürzt) und folgt gemeinsam mit der strukturellen und visceralen Osteopathie einem ganzheitlichen Behandlungsprinzip.
- behandelt Störungen im funktionellen System zwischen Schädel (lat. cranium) und Kreuzbein (lat. sacrum).
- wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem amerikanischen Osteopathen William G. Sutherland (1873–1954), Schüler des Arztes und Osteopathen Dr. Andrew Taylor Still (1828-1917), nach jahrelanger Forschungsarbeit als eigenständige Behandlungsmethode entwickelt und in den 70er Jahren von dem amerikanischen Chirurgen Dr. John E. Upledger in Therapie und Lehre weiter vorangebracht.
Das craniosacrale System
William G. Sutherland konnte anhand zahlreicher anatomischer Studien und Selbstversuche eine feine Beweglichkeit zwischen den einzelnen Schädelknochen nachweisen. Er zeigte, daß der Schädel keine „starre „Kugel“ ist, sondern daß die 22 Schädelknochen (bzw. 28 incl. Gehörknöchelchen) über die Schädelnähte ein flexibles, fein aufeinander abgestimmtes Bewegungssystem darstellen. „Motor“ dieses Systems ist die Zu- und Abnahme (Produktion und Resorption) der im Gehirn gebildeten Flüssigkeit (Liquor, ca. 500 ml pro Tag), die sich als pulsierende „Druckwelle“ in Richtung Rückenmark, Kreuzbein und entlang der Nervenscheiden bis in die Peripherie des Körpers fortsetzt.
Die das Gehirn und Rückenmark umgebende feste, unelastische Hirnhaut (lat. dura mater) und die im Schädel wie Segel ausgebreiteten Membranen (lat. falx cerebri u. cerebelli) fangen diese rhythmische Druckwelle auf. Sie leiten sie an die einzelnen Schädelknochen und das Kreuzbein weiter, das mit der Dura verwachsen ist, und koordinieren dadurch deren unwillkürliche Beweglichkeit.
Diese feinen Bewegungen ertastet der Therapeut am Schädel und am Kreuzbein, aber auch an den Armen und Beinen als craniosacralen Puls. Mit einer Frequenz von 6–12 Zyklen pro Minute ist er langsamer und zugleich unabhängig vom Puls des Herzens (ca. 60–80 Schläge pro Minute in Ruhe) und vom Atemrhythmus (12–20 pro Minute).
Störungen des craniosacralen Systems
Eine mechanische Störung der Beweglichkeit zwischen den einzelnen Schädelknochen oder des Kreuzbeins kann zu Spannungen in den Hirn- und Rückenmarkshäuten führen und so den craniosacralen Rhythmus beeinträchtigen.
Ursache einer solchen Störung kann z.B. ein Trauma, ein Stoß oder Schlag auf den Kopf, eine Geburtskomplikation [Kind], ein größerer zahnärztlicher Eingriff, ein Sturz auf das Steißbein oder eine schwere Geburt [Mutter] sein, ebenso auch Dauerstress oder große psychische Belastungen.
Folgen solcher Störungen können Beschwerden im Kopfbereich wie z.B. Migräne- oder Dauerkopfschmerzen, Tinnitus, Konzentrationsstörungen oder Kiefergelenks-, Stirn- und Nebenhöhlenbeschwerden, sowie Beschwerden im Beckenbereich sein.
Im Rahmen seiner Forschungsarbeit konstruierte Sutherland einen speziellen Helm, mit dem er an verschiedenen Stellen Druck auf die Schädelknochen ausüben und so deren Mitbewegung verhindern konnte. Auf diese Weise konnte er schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit einfachsten Mitteln die Auswirkungen solcher Störungen genauer untersuchen. Je nachdem wo die Beweglichkeit behindert wurde, konnte Sutherland bei den untersuchten Personen einerseits Symptome wie Kopf- und Rückenschmerzen, Seh- und Hörstörungen oder Kiefergelenksbeschwerden und andererseits psychische Veränderungen wie Depressionen, unspezifische Ängste und Unruhezustände auslösen. Sobald die Einschränkung aufgehoben und die freie Beweglichkeit wieder hergestellt war, verschwanden diese Symptome komplett und folgenlos.
Behandlungsziele der Craniosacralen Osteopathie (CSO)
- Die freie Beweglichkeit der Schädelknochen und des Kreuzbeins wiederherstellen.
- Harmonisierung des craniosacralen Rhythmus zwischen Schädel und Kreuzbein.
- Selbstheilungskräfte aktivieren im Sinne einer Prophylaxe.
- Tiefe Entspannung erreichen, Verspannungen lösen.
- Durchblutung aller Körpergewebe und –regionen verbessern.
Alle akuten Erkrankungen, wie z.B. Schlaganfall, Tinnitus, Dauerkopfschmerzen u.a. gehören nicht in den primären Anwendungsbereich der craniosacralen Osteopathie und müssen durch eine ärztliche Untersuchung abgeklärt worden sein. Im Anschluß an eine entsprechende schulmedizinische Behandlung kann eine craniosacrale Therapie durchaus von Nutzen sein.
Ausführung der Behandlung
Die Behandlung findet in ruhiger Atmosphäre am entspannt liegenden Patienten statt. Der Therapeut ertastet zunächst den craniosacralen Puls an verschiedenen Punkten (z.B. Armen, Beinen, Kreuzbein und am Kopf). Die Hände werden mit wenig Druck aufgelegt und erhalten spürend Informationen über die Symmetrie, Frequenz, das Bewegungsausmaß und die Qualität der rhythmischen Pulsation. Durch sanftes Aufsetzen der Hände nimmt der Therapeut die Beweglichkeit der verschiedenen Schädelknochen wahr und erhält so Aufschluss darüber, ob und wo Spannungen und Blockierungen bestehen. Mit Hilfe weicher Techniken werden durch kaum wahrnehmbare Dehnung, Druck oder Zug im Bereich der Schädelnähte, der Schädelbasis, des Gesichtsschädels und am Membransystem mechanische Bewegungs-einschränkungen gelöst und der craniosacrale Rhythmus harmonisiert.
Das Ertasten des individuellen Rhythmus des Patienten bedeutet eine sehr konzentrierte Arbeit und stüzt sich auf eine in mehrjähriger Ausbildung geschulte Wahrnehmung des Behandlers. In Deutschland wird die CSO von Heilpraktikern, Ärzten und Physiotherapeuten durchgeführt.
Da die Ursachen vieler Beschwerden meist vielschichtig sind, werden im Sinne einer ganzheitlichen Therapie die Methodenanteile der Osteopathie nie strikt voneinander getrennt, sondern immer übergreifend, d.h. sich ergänzend angewendet. Dieses wird Ihr Therapeut dem jeweiligen Befund entsprechend individuell abstimmen.